Süßsauer aus Leidenschaft

Neromodena Modena Emilia-Romagna

 

Schon Marinas Großvater Peppino Stra­nieri produzierte seinen Essig im alten ­„Borgo“ — Rohstoffe waren reichlich vorhanden: Das Land mit den Weinreben gehört auch heute noch der Familie. Dennoch war die Aceto-Produktion in den vergangenen Jahrhunderten mitnichten etwas Außergewöhnliches. In und um Modena stellte fast jede Familie Essig für den Hausgebrauch her. Nicht selten wurden die zur Essigherstellung nötigen „Acetaie“, Holzfässer unterschiedlicher Größe, als Mitgift in die Ehe gegeben.

1998 entschied sich Marina Spaggiari, mit Alessandro Calveri zu kooperieren — und machte so ihr Hobby zum Beruf. Eine Acetaia „fondata di Passione, gegründet aus Leidenschaft“, sagt Marina und lacht. Doch auch, wenn Marina und Alessandro nun professionell Essig herstellten, wollte man weiterhin Aceti höchster Qualität produzieren.

Der Weg zu einem guten Aceto Balsamico di Modena führt über den Wein — oder besser gesagt durch die Weinreben. Denn genau diese muss man durchqueren, will man zur Acetaia NeroModena gelangen.

Endlos lange ziehen sich die Weinstöcke über die Ebene bei Modena in der Emilia-Romagna. Am Anfang der Rebenreihen erhebt sich ein alter „Borgo“, eine kleine Ansammlung von Backsteinhäusern. Durch die Weinstöcke hindurch, am anderen Ende des Weinbergs, fällt dem Besucher die kleine Produktionshalle ins Auge. Borgo, Weinreben und Produktion — das ist der Essighersteller NeroModena, ein Gemeinschaftsprojekt von Marina Spaggiari und Alessandro Calveri.

Marina und Alessandro stellen beide Essigtypen her — für den Tradizionale kommen die Trauben ausschließlich von den eigenen Reben — handgepflückt und sorgfältig ausgewählt — bevor sie in der „Caldaia“ zu Most verkocht werden. Auch bei dem Most für den Aceto Balsamico di Modena IGP legt man auf eine strenge Auswahl großen Wert: Marina und Alessandro besuchen regelmäßig Winzer, um den besten Most für ihren Essig zu finden.

Da bei NeroModena die Qualität im Vordergrund steht, versetzt man den Aceto Balsamico di Modena IGP mit besonders gutem Weinessig. Doch damit nicht genug: Die Regeln des Konsortiums sehen vor, in die Mischung noch einen weiteren Essig zu geben — mindestens 10 Jahre gereift muss dieser sein. Was für ein Essig genau verwendet werden soll, sagen die Regeln dagegen nicht. 

Spricht man vom Aceto Balsamico di Modena, muss man auf die Begrifflichkeit Acht geben. Wie bei wahrscheinlich keinem anderen Produkt, sind Verwechslungen beim Aceto Balsamico an der Tagesordnung. Zum einen gibt es den Aceto Balsamico TRADIZIONALE di Modena DOP, zum anderen den Aceto Balsamico di Modena IGP. Bei beiden handelt es sich um Qualitäts-Essige — und doch sind die Produkte grundverschieden. Während der Aceto Balsamico di Modena Tradizionale DOP ausschließlich aus Traubenmost entsteht, der in unterschiedlichen Holzfässern zum Essig reift, darf bei der Herstellung des Aceto Balsamico di Modena IGP zum Most schon Weinessig gegeben werden.

Wird die IGP-Variante bereits nach zwei Monaten als Aceto Balsamico di Modena verkauft, verdient sich der Tradizionale seinen Namen erst nach frühestens 12 Jahren Lagerzeit.

Denn hier beginnt der Aceto Balsamico Tradizionale di Modena DOP seinen zwölf Jahre währenden Reifeprozess. Ein Stockwerk höher — und schon ist man am Ende des Prozesses angelangt. Bis unter den Giebel stapeln sich die einzelnen „Batterien“ aus dunklen Holzfässern und -fässchen; alle unterschiedlich groß, aus verschiedenen Edelhölzern gefertigt — Wacholder, Kirsche, Maulbeerbaum... Der Essig durchläuft ein jedes Fass — bevor aus dem letzten höchstens eineinhalb Liter entnommen werden. Hier also endet nach 12 Jahren die lange Reise des Aceto Balsamico Tradizionale di Modena DOP, die auf den Rebstöcken draußen vor dem Fenster begann.

Während industrielle Großbetriebe hier Kosten sparen und minderwertigen Weinessig „dazu kippen“, reichert NeroModena seinen IGP-Essig mit dem wertvollen Most des Aceto Balsamico Tradizionale di Modena DOP an — besser geht’s nicht!

Durch die Reben geht es zurück zum Gutshaus aus dem 18. Jahrhundert. Im alten Stall des Borgo ist es still. Unter dem roten Backsteingewölbe reiht sich ein Fass an das nächste — prüfend beäugt von den strengen Augen des San Antonio. Die Statue des Schutzheiligen der Tiere, knapp unterhalb des Gewölbes angebracht, scheint über den Essig zu wachen.