„Tutte le piccole cose“

Salcis Monteriggioni/Siena Toskana

 

Das Ladengeschäft der Familie Morbidi befindet sich im Stadtteil der Contrada Drago, der Drachengemeinschaft — doch schon auf den ersten Blick wird klar, dass sich die Stadtteilrivalität am Eingang des Geschäfts erschöpft. Aus allen Bezirken strömen Seneser und Touristen in den schmalen Backsteinbau aus dem 12. Jahrhundert, in dem die Geschichte der Familie Morbidi 1925 ihren Anfang nahm. Und auf diese lange Tradition ist die Familie stolz — deshalb prangt über der Tür auch das Schild „Morbidi“ mit dem Zusatz „1925“.

Das Ladengeschäft selbst ist schmal und reicht wie ein Schlauch tief in das Gebäude hinein. Dominierendes Element ist die lange Kühltheke, davor wie dahinter herrscht hektisches Treiben.

Fast könnte man meinen, Pferde galoppieren zu hören. Kein Wunder, denn die Piazza del Campo ist nur einen Steinwurf weit entfernt. Hier findet alljährlich im Sommer der berühmte Palio von Siena statt — das mittelalterliche Pferderennen, bei dem die verschiedenen Stadtteile, die Contrade, zum farbenprächtigen Spektakel gegeneinander antreten.

Salcis war auch Armando Morbidi, der seine Metzgerei seit 1925 im „centro storico“ von Siena betrieb. In seinem Sinne führt Familie Morbidi das Unternehmen Salcis heute bereits in dritter Generation.

In den 1960er-Jahren weitete Salcis seine Aktivitäten aus: Zu den senesischen und toskanischen Wurstspezialitäten kam nun die Herstellung von Pecorino Toscano. „Man wollte die natürlichen Zyklen optimal nutzen“, erklärt Geschäftsführer Antonio Morbidi bei einem Rundgang durch die Käseproduktion.

Toskanischer Schinken, hauchdünn geschnitten, wandert über die Ladentheke, Messer teilen den Pecorino Toscano. Die meisten der Fleisch- und Wurstprodukte und die Pecorini, die original toskanischen Schafskäse, stammen vom Familien­unternehmen Salcis in Monteriggioni, zwischen Siena und Florenz gelegen. Die Familie, welche die Geschicke von Salcis leitet, heißt — wie sollte es anders sein — „Morbidi“.

Einige Seneser Metzger schlossen sich während des 2. Weltkriegs zum Unternehmen Salcis, Società Anonima Lavorazione Carni Insaccate Siena, zusammen. Ihr gemeinsames Ziel lautete schon damals, die Tradition senesischer und toskanischer Wurstwaren zu erhalten. Einer der Gründer von

Genauso sorgfältig geht Antonio Morbidi bei seinen Wurstspezialitäten vor: Verwendet wird ausschließlich Fleisch aus der Toskana, verarbeitet auch heute noch nach alter seneser Tradition. Es ist hohe Handwerkskunst, wenn der Metzgermeister die Wurst von Hand einschnürt. Den Faden windet er in immer gleichen Abständen um den Naturdarm, bevor es in den Reiferaum geht.

Es sind „tutte le piccole cose“, die kleinen Dinge und Details, erzählt Antonio Morbidi, die Salcis so besonders machen: Eine lange Tradition, beste Rohstoffe und sorgfältige Handarbeit. So, wie es auch „tutte le piccole cose“ sind, die jedes Jahr von Neuem darüber entscheiden, welche Contrada den Reiter-Palio in Siena gewinnt.

Am einen Ende der Halle schöpft ein Arbeiter gerade von Hand den Ricotta ab, am entgegengesetzten Ende wälzt ein weiterer die noch jungen Käselaibe in Meersalz. „Im Winter wurden traditionell die Wurstwaren hergestellt — da war es kühler, die Wurst verdarb nicht so schnell. Im Frühjahr und Sommer dagegen hatte man Zeit, sich der Käseproduktion zu widmen.“

Antonio Morbidi ist froh, dass seine Vorfahren es nicht nur bei Wurst und Schinken beließen. Er liebt seinen Käse — und das merkt man. Ganz egal, ob er von seinen eigenen Schafen spricht oder die Pecorino-Laibe nach alter Tradition gekonnt mit Tomatenmark einreibt. „Tomatenmark oder Olivenöl — das sind die traditionellen Mittel, um den Käse reifen zu lassen, ohne dass er austrocknet und brüchig wird“, erklärt er und verteilt die leuchtend rote Paste mit kreisenden Handbewegungen über die Käserinde.