„Veredelt mit Passione“

Carozzi Valsassina Lombardei

 

Im Schatten der zweieinhalbtausend Meter des Monte Grignone und auf der anderen Seite des Pioverna liegt hier das Caseificio Carozzi. Mit seiner Steinfassade und seinen Holzbalken fügt es sich nahtlos in die Bergwelt des Valsassina ein. Bei Familie Carozzi reifen die typischen Käse des Tals: Taleggio, Robiola, Bergkäse aus Kuh- und Ziegen­milch. Mehr als die Hälfte der Käsespezialitäten von Roberto Carozzi haben eine „crosta lavata“, sind also Rotschmierkäse. Gemacht werden die Käselaibe unten in der Ebene, zum Reifen geht es ab in das Valsassina. „Schon vor 900 Jahren kamen die Käse zum Reifen hier herauf. Über einen Gebirgspass brachte man sie aus dem Bergamasco“, erklärt Vera Carozzi, die Tochter von Roberto. „Das Valsassina besitzt ein einzigartiges Mikroklima und eine hohe Luftfeuchtigkeit. Perfekt, um Käse zu veredeln.“

Höher und höher geht es den Berg hinauf. Unten spiegelt sich die untergehende Sonne im Lago di Lecco, über uns erstrahlen die Alpengipfel im letzten Tageslicht. Die Straße windet sich über eine grüne Hochebene, zu unserer Rechten plätschert der Bach Pioverna, zur Linken erhebt sich majestätisch der Monte Grignone. Herzlich Willkommen im Valsassina.

Noch ist der rechteckige Käse unschuldig weiß — die charakteristische „rote Schmiere“ entsteht in den folgenden Tagen und Wochen durch die „spugnatura“. Der Käse wird mit einer Salzlösung, jede Woche neu angesetzt, gewaschen. Oder besser: gebürstet. So erhält er seine „crosta lavata“, die „gewaschene Rinde“.

Zwei Arbeiter nehmen die Laibe aus den Holzkisten, entfernen das Baumwolltuch, das um den Käse geschlungen ist, tauchen die Bürste ins Salzwasser und schrubben die vier Seiten des Taleggio. Schimmel wird weggebürstet, das Salzwasser dringt in den Käse ein. Was so einfach aussieht, hat System: Je nach Reifegrad des Käses tauchen die Arbeiter die Bürste unterschiedlich tief ins Salzwasser. So erhalten die „jüngeren“ Laibe mehr Wasser, „ältere“ dagegen weniger. Gewaschen wird bis zur endgültigen Reife nach ungefähr 60 Tagen — deshalb kann man beim Taleggio die Rinde auch mitessen. Nach jeder „spugnatura“ geht es für den Käse, mit frischen Baumwolltüchern bedeckt, wieder zurück in die Holzkisten und ins Kühle.

Vera ist Anfang dreißig und könnte in ihrem braunen Sommerkleidchen auch im nahe gelegenen Milano flanieren gehen. Stattdessen wohnt sie direkt über der Käserei im einsamen Valsassina und hat sich wie der Rest der Familie Carozzi ganz ihrer „passione“, dem Käsemachen, verschrieben. Neben Vera und Roberto arbeiten auch Robertos Söhne Aldo und Marco in Verkauf und Produktion, Mamma Donata hat ein Auge auf alles.

In der Käserei entstehen die Käse wie früher von Hand, hier im Valsassina erhalten sie von Hand ihre ­Finesse. Und das sieht folgendermaßen aus: Am zweiten Tag, nachdem sie gekäst wurden, erreichen die Laibe das Valsassina und die Reifekeller von Carozzi. Hier werden sie in einem ersten Schritt gesalzen.

Im Juli herrscht im Valsassina auch um sieben Uhr abends noch große Hitze. Im Keller der Käserei Carozzi dagegen lassen die Arbeiter der Käserei bei angenehmen 15 Grad grobkörniges Meersalz von Hand auf die vier Seiten des Taleggio herabrieseln. 

würzig-aromatischer Käse — oder besser acht. Denn so viele liegen nebeneinander in einer Tannenholzkiste. Ein weiteres Geheimnis eines guten Taleggio: die niedrigen Temperaturen in den Reifekellern. „Natürlich könnte auch ich die Temperatur von derzeit fünf Grad erhöhen“, erklärt Roberto. „Der Käse würde dann schneller reifen und rot werden, ich verdiente schneller Geld.“ Er hält inne und lächelt. „Der Käse würde aber ganz anders schmecken. Unsere Käse müssen langsam reifen. Nur so entwickeln sie die vielfältigen Aromen.“

Zwischen den Taleggi liegen auf Fichten­holz­brettern auch andere Käse. Ob „capriziola“, ein Ziegen­milch­gorgonzola, „caprini“, Ziegen­milch­frisch­käse, „Strachì Tunt“, ein „Mix“ aus Taleggio und Gorgonzola — für alle Käsespezialitäten von Carozzi im Valsassina gelten die gleichen Bedingungen. Käse entstehen hier von Hand, veredelt mit „passione“.

In den Reifekellern kann man die Aromen riechen und auch sehen. Unzählige Holzkisten reihen sich aneinander. In der Luft liegt ein würziger Geruch, die Käselaibe leuchten orange-rot im schummrigen Licht. Die typischen vier Kreise des Taleggio-Konsortiums schmücken einen jeden Laib. Die Buchstaben „C“, „T“ und „T“ sowie die Nummer „81“ lassen sich in den Kreisen lesen. Das „C“onsorzio „T“utela „T“aleggio prüft jeden einzelnen Käse und vergibt dann ihr Zeichen. „81“ — das ist die Nummer der Käserei Carozzi.

„So viel Handarbeit kann man natürlich schmecken“, sagt Roberto und fügt hinzu: „Was man auch schmeckt, ist das Holz.“ Im Gegensatz zu vielen anderen Käsereien reifen die Laibe bei Carozzi in traditionellen Holzkisten aus einheimischem Tannenholz. „Come il vino“, sagt Roberto mit Nachdruck, „das ist ‚wie beim Wein‘, das Holz gibt Geschmack an den Käse ab.“ Das Ergebnis: ein