Der Duft des Weins

Quintodecimo Mirabella Eclano Kampanien

 

Wir treffen den studierten Önologen, der selbst aus einer Winzerfamilie stammt, am frühen Vormittag direkt vor den Toren seines Weinguts. Es ist außerordentlich gepflegt, die Reben stehen in Reih und Glied. Man sieht, dass der Visionär und Perfektionist auch hier nichts dem Zufall überlässt. Mit einer Ledertasche in der Hand erteilt er dem Fahrer eines Baufahr­zeugs gerade wild gestikulierend Anweisungen — und uns weht statt des Dufts von Wein erst einmal ein Hauch Diesel entgegen. Uns stört es nicht, denn Luigi und seine Frau Laura bauen gerade aus. Bald soll es hier noch einen zweiten Keller und ein Bed & Wine geben …

… weht bei Quintodecimo über die sanften Hügel Kampaniens. Oder wie der Originaltitel der Weinfibel lautet: „Il respiro di vino“. Autor ist kein Geringerer als „Professore“ Luigi Moio – unser heutiger Gastgeber und bedeutende Lichtgestalt der italienischen Winzerszene. Seit Jahren setzt er auf reinsortige, terroir-typische Weine mit hohem Lagerpotenzial und gilt zu Recht als Weg­bereiter für Weißweine der Spitzenklasse – und dass aus der Stiefelspitze! Als erster Weißweinproduzent der Region baut er Fiano, Greco di Tufo und Falanghina im Barrique aus und leitet damit eine kleine Revolution ein – mit großem, internationalem Erfolg.

Luigis Töchter aus erster Ehe, Rosa und Chiara, leben ebenfalls hier und unterstützen bereits tatkräftig. Auch bei der Inneneinrichtung, bei der uns sofort die aus Barrique-Fässern hergestellten Lounge-Sessel begeistern!

Kaum haben wir uns in diesen niedergelassen, genießen wir den herrlichen Blick auf die beiden Hausweinberge „Quintodecimo“ und „Grande Cerzito“ in Mirabello, die zugleich Namensgeber für die beiden aus ihnen gekelterten „Taurasi Riserva“ sind. Ihre knapp 10 Hektar große Rebfläche — aus der auch noch „Irpinia“ vinifiziert wird — hat das Ehepaar ausschließlich der heimischen Aglianico-Rebe gewidmet. Eine Hommage an das Terroir — liebt die Traube nicht nur die kalten Nächte und heißen Tage der Küstenregion — sondern gilt auch als eine der ältesten italienischen Rebsorten überhaupt.

Eine verlockende Vorstellung, schon nach dem ersten Blick! Aber nun möchte Luigi erst einmal seine Tasche ins Auto bringen. Im Anschluss an unseren Besuch geht es für ihn nämlich direkt weiter: nach Neapel an die Universität, an der er — wie er selbst schmunzelnd hinzufügt — einmal die Woche mit ein wenig Weinwissen und philosophischen Zitaten um sich wirft.

Nicht einmal 20 Jahre ist es her, dass Luigi und seine Frau Laura hier in Mirabella Eclano in Irpinia, rund eine Autostunde nordöstlich der Hafenmetropole Neapel, übrigens drittgrößte Stadt Italiens, ihren Traum von einem gemeinsamen Weingut realisiert haben. Ihr kleines Anwesen, in charmant-mediterranem Stil gehalten, thront auf einem 420 Meter hohen Hügel bei Taurasi und umfasst zugleich Wohnhaus, Kellerei und Verkostungsräume.

Wie die Verkostung zeigt: Ein absolut faszinierendes Geschmacks­erlebnis und Ausdruck gelebter Winzerkunst! Unsere „complimenti“ winkt Luigi jedoch sofort energisch ab. Er wolle keinen Wein machen, der jedem schmeckt. Er wolle einfach nur das Beste machen, was sein Terroir hergebe. „Mit Wein ist es ein bisschen wie bei der Formel 1“, sagt er und lacht. „Man kann nicht immer gewinnen, aber trotzdem immer versuchen, vorne mitzufahren!“ Und das tut er — ganz besonders auch mit seinen Weißweinen.

Insgesamt 3 Weine keltert er aus weiteren 20 Hektar Rebfläche in Lapio, Santa Lucia und Mirabello Eclano. Bestockt sind die Lagen mit Fiano, dem Flaggwein der Region, Greco di Tufo, aus der der gleichnamige seit 2003 DOCG-geschützte trockene Weißwein gewonnen wird, und Falanghina.

Der Legende nach sollen sogar schon Caesar und Plinius Weine aus ihr genossen haben! Eine weitere Besonderheit und zugleich zentraler Bestandteil der Weinphilosophie von Luigi wird uns direkt im Anschluss präsentiert — und zwar auf einem Flip-Chart, eben ganz so wie es sich für einen guten Wissenschaftler und Dozenten gehört. Der verheißungsvolle Titel lautet: „Einfluss des Terroirs“. Wir sind gespannt!

„Während die Aglianico-Reben auf ‘Quintodecimo’ auf lehm- und kalkhaltigen Hängen mit 25% Steigung in nordwestlicher Ausrichtung reifen, werden sie im benachbarten ‘Grande Cerzito’ auf flacheren, etwas höher gelegenen Südhängen vulkanischen Ursprungs kultiviert.“ erklärt Luigi uns. „So entstehen — obwohl später im Keller exakt gleich vinifiziert — zwei Taurasi Riserva mit völlig unterschiedlicher Ausprägung.“

Wenig überraschend also, dass auch der Name des Weinguts eine Bedeutung besitzt. „Quintodecimo“ — von Luigi auch liebevoll als seine „azienda per la mia passione“ bezeichnet — erinnert an den Namen der Region rund 600 n. Chr. als diese auf Grund ihrer Entfernung von 15 Meilen zur damaligen Provinzhauptstadt Benevento als „Quintum decimum“ bezeichnet wurde.

Ebenso detailverliebt zeigt sich Luigi auch bei der Namensfindung seiner Weine: „Exultet“, ein Osterlob zur Lichterfeier am Beginn der Osternacht, ist Ausdruck seiner Liebe zur lateinischen Sprache, „Giallo d’Arles“ das Bekenntnis zu seiner Lieblingsfarbe Gelb (am liebsten das von Van Gogh in seiner Zeit in Arles verwendete), und „Via del Campo“ der Name seines Lieblingssongs, komponiert und gesungen von Fabrizio De André, einem seiner Lieblingskünstler. Zeit, der wehmütigen Melodie zu lauschen und dazu den passenden Wein zu verkosten!

Alle drei Weißweine lagern 8 Monate auf der Hefe. Ihr Ausbau erfolgt zu 70 Prozent im Stahltank und zu 30 Prozent in neuen Barriques. „Auch wenn es mehr kostet, jeder Jahrgang benötigt seine ganz individuellen Reifeprozesse und verdient ein Maximum an Reinheit in Geruch und Geschmack — und keine Fremdaromen!“ setzt er leidenschaftlich und mit Erinnerungen an seine Lehrjahre in Frankreich nach. Diesen verdankt er übrigens auch eine beachtliche Sammlung großer Weine im privaten Weinkeller! Im Vorbeihuschen sehen wir einige große Châteauneuf du Pape, Côtes du Rhône und Chablis — und sogar ein Etikett von Château Margaux spitzt zwischen den Reihen hervor. Ein wahres Mekka für Liebhaber großer Weine und, wie er gesteht, sein persönlicher Rückzugsort und Inspirationsquelle. Hier unten sei es immer angenehm kühl — da könne er am besten nachdenken. Und ein Denker ist Luigi Moio ganz sicher! Ständig hat er neue Ideen, entwickelt sich und seine Weine weiter. Dabei liegt sein Augenmerk nicht allein auf Terroir, Ausbau und Qualität, sondern auch auf Vertrieb und Vermarktung.