Im Dunstkreis des Präsidenten

Poderi Luigi Einaudi Dogliani Piemont

 

Das Örtchen in der piemontesischen Langhe liegt ein wenig versteckt — abseits des Trubels um die Ortschaften La Morra und Barolo. In Dogliani angekommen, gelangen wir an der großen Kirche vorbei über die mittelalterliche Brücke auf den Kreuzweg, der den Hügel hinaufführt. Die kleinen Kapellen grüßen vom Strassenrand, während wir uns höher und höher schrauben. Kurz bevor wir die Kellerei Poderi Luigi Einaudi erreichen, durchstoßen wir die Nebelgrenze. „Halt an!“ ruft die Fotografin und ich folge. So entsteht wenig später das erste Bild der Kellerei Einaudi. Zwei Herrenhäuser, die sich malerisch auf einem Hügel gegenüber liegen. Rebstöcke klettern die Hügel hinab. Und über allem scheint die Sonne.

„Schon wieder dieser Nebel“! ruft unsere Fotografin ärgerlich. Gerade noch sah es so aus, als hätten wir den idealen Platz gefunden, um die Rebstöcke zu unseren Füßen in ihren Rot-, Ocker- und Goldtönen digital festzuhalten, da zieht er auf: der berühmte piemontesische Nebel. Innerhalb von Minuten legt er sich über Rebstöcke, über Hügel und Täler — und über unsere Linse. Wie, wenn nicht „Nebbiolo“, sollte die Hauptrebsorte der piemontesischen Langhe heißen?

Stimmungsbilder mit Reben machen wir später“, beruhige ich die Fotografin und lasse den Motor unseres Fiat 500 an. Über neblige Täler und von der Sonne beschienene Höhen kurven wir in Richtung Dogliani.

das er für die Veröffentlichung seiner Studien-Abschlussarbeit bekommen hatte. Einaudi fühlte sich der Region „Langhe“ verbunden und erkannte früh das Potential, das in Reben und Klima steckte. Darüber hinaus folgte er mit dem Landerwerb einem seiner Wahlsprüche: „Senza terra una famiglia non è niente“,  „ohne Land ist eine Familie nichts“. Auf „seinem“ Land begann er bald damit, Wein zu keltern. Trotz aller Verpflichtungen in den folgenden Jahren, trotz der steilen Karriere, die Einaudi einschlug, kehrte er stets zur Weinlese nach Dogliani zurück. Luigi Einaudi war auch der erste Winzer, der Wein aus der „Dolcetto“-Rebe, DIE Weinrebe des Örtchens Dogliani, in Flaschen abfüllte. Von ihren „berühmten“ Anfängen entwickelte sich die Kellerei Einaudi kontinuierlich weiter.

Durch eine lange Auffahrt erreichen wir mit unserem Fiat die herrschaftlichen Gebäude. Einer der Eigentümer, Matteo Sardagna, erwartet uns bereits. Matteo ist um die vierzig, braun gebrannt, sein blondes Haar weht im Wind. Mit festem Händedruck begrüßt er uns, seine braunen Lederschuhe verraten Stilbewusstsein und den gewissen „Mailänder Chic“, der vielen Italienern zu eigen ist. Matteo Sardagna gehört zur Eigentümer-Familie der Kellerei Einaudi, er ist der Urenkel von Luigi Einaudi, Gründer der Kellerei, Journalist der Turiner Tageszeitung „La Stampa“, Wirtschaftsprofessor und vor allem Präsident der Republik Italien von 1948 bis 1955.

Schon als 23-Jähriger erwarb Luigi Einaudi 1897 die „Azienda San Giacomo“ in Dogliani mit dem Geld,

Vom Weinberg in die Kellerei, die unter den beiden herrschaftlichen Häusern aus dem 17. Jahrhundert liegt: Eine steile Treppe führt uns hinab in die Jahrhunderte alten Gewölbekeller. Backsteinbögen wölben sich über Barrique-Fässern und Eichholz-Tonneaus. Hier treffen sich Tradi­tion und Moderne. Denn: Durch die Gewölbekeller erreichen wir die erst wenige Jahre alte unterirdische Kellerei mit Abfüllanlage und Vinifikationstanks. Wir folgen Matteo durch das moderne „Magazzino“, hier reifen die Weine in den Flaschen, vorbei an großen Tonneaus, bis hin zu einem schmalen Durchgang. Wir schlüpfen hindurch und stehen im Archiv der Kellerei. Ein hoher Raum, Backstein, holzverkleidet, mit einer umlaufenden Galerie, erwartet uns. Hier finden sich die großen Jahrgänge von Einaudi, die verstaubten Flaschen verströmen Weingeschichte. Weingeschichte, die mit Luigi Einaudi, Präsident Italiens, im Nebel der piemontesischen Langhe begann.

Zuerst direkt in Dogliani beheimatet, zog die Familie in den achtziger Jahren auf den Hügel. Heute bewirtschaftet Einaudi auf 11 Anwesen ungefähr 140 Hektar Land, 54 Hektar sind dem Weinanbau gewidmet. Alle Trauben, die Einaudi für seine Weine verwendet, stammen ausnahmslos aus den eigenen Weinbergen.

„Im Wein muss das Terroir zu schmecken sein“ oder „der Wein muss die Lage widerspiegeln“. Und deshalb gelten Weinberg, Reben und Trauben höchste Aufmerksamkeit. Alle Weinberge unterlaufen zwei bis dreimal die sogenannte „grüne Ernte“, ungefähr vierzig Prozent des Traubenguts wird dabei schon vor der eigentlichen Ernte aussortiert. Die eigentliche Ernte erfolgt natürlich ausschließlich von Hand. „Das alles kostet Zeit“, erklärt Matteo, „wir benötigen in etwa 550 Stunden, um einen Hektar unserer Weinberge zu bewirtschaften. In Sizilien sind es im Schnitt nur 150 Stunden.“ Und er fügt zusammenfassend hinzu: „Il vigneto fa la differenza“, der Weinberg macht den Unterschied.“